Montag, 22. September 2008

Desaströse Umstände


















Vergeben Chancen, vertane Möglichkeiten, passives Verharren,
undeutliche Äusserungen, falsche Diplomatie, undiplomatisches Auftreten,
ungehörige Äusserungen, verfängliche Gespräche, ehrliche Überforderung,
Ausbeutung, Vertrauensmissbrauch, allgemein verschlechterte Umstände,
unliebsame Beweise, unangepasstes Auftreten, Verzerrung der wahrhaftigen Vorgänge,
schwach ausgeprägtes Pflichtgefühl, unsaubere Arbeitsweise,
versteckte Kontrolle, Denunziation, Machtgefälle,
vertane Chancen, vertane Möglichkeiten,
unnütze Fehlerquellen, Schwachstellen auf beiden Seiten,
niederschmetternder Vertrauensentzug, ungläubiges Staunen

Schatzi, du bist mein Traum,

verunreinigen sie bitte nicht unser Unternehmen, es unternimmt gerade etwas gegen sie!

© Hagen Rehborn 2005/2008

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Sonntag, 14. September 2008

Der Flüchtende


















Fahrtzeit eineinhalb Stunden.
Boulevard der Träume,
Boulevard im Schnee.
Du, der Kamm der Welle, sie kippt, das Glück schüttet sich in einen Eimer aus rotem Plastik.
Widerstandsfreie Parade junger Menschen zu abgenuckelten Orten des Verkehrsstillstandes.
Wer immer Du auch sein magst Gott, pack deine Sachen und hau ab!

Fluchtplan: Paris 21.10 Uhr, Air France 21.45 Uhr, letzter Flug, müdes Personal, umsteigen in Los Angeles, die andere Richtung ist immer die richtige.
Keramikmesser werden beim Check-In tatsächlich nicht gefunden.
Ein gefundenes Fressen für meine Söhne, fliegen wie ein Adler auf dieser Welle, diese eine Welle ...

Nichts wird mich halten, ich werde in den Tatooladen gehen, meine Zeichnung herausholen und dem Mann beim Studieren den Kopf abschlagen, 
das Papier, voller kleiner roter Spritzer, eine Spitzenzeichnung, Rekordpreis für Konzept - Art 2005, 
Wal-Mart und die Tüten.

Marseille Hauptbahnhof an 22.55 Uhr, 
Du auf dem Bahnsteig, eine alte Zeitung unter dem Arm, ich liebe das.
Die Zeitung durchtränkt mit Balsamterpentin, Buchstaben auf transparenter gräulicher Fläche, das ist, was du anfassen sollst, mit deinen wunder-, wunderbaren Fingern.
Weiße Nägel auf brauner Haut, die Klappen eines Saxophones.

Letzter Aufruf, Sydney 03.15 Uhr Europäischer Zeit, 
Bambus Haine weltweit, von dort nur noch ca. 2000 km.

Mein jüngster Sohn hätte gesagt: Ja, Pappa, ich will das Auto fahren, im Herbst, so schnell, endlose Wege an grauen Grachten vorbei, die Unmöglichkeit zu vergessen, was nie stattgefunden hat.
Halte meine Hand, ich werde alt und muß stets lauter schreien, eine Insel im Strudel, das Grab der Gefühle für eine gescheiterte Liebe zu mir selbst.
Was für ein Gejammere, du Schwächling, so wirst Du nie mein Sohn sein.

Boulevard der Träume,
Boulevard im Schnee.
Ein Einbaum im späten Abendlicht.
Dunkle Kreise auf Deiner Haut, was für eine fixe Idee, die Welle bricht, der Kamm schlägt auf die gekräuselten Spiele unterhalb Deiner Knie.
Vorbei, vorbei, vorbei gehst du am Ende.

© Hagen Rehborn 2005/2008

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Dran bleiben!


















Dranbleiben

Was auch immer Sie finden, wo auch immer Sie suchen,
bleiben Sie dran!
Verirren sie sich nicht im Gestrüpp ihres Vorgartens,
schauen sie auch nach rechts und links
und schlagen sie dann rasch ihrem Nachbarn den Spaten vor den Kopf.

Wo auch immer er das Osternest dieses Jahr versteckt haben mag, er kann nun mit niemandem mehr darüber sprechen.
Sie werden es als erster finden und das tun, was Sie schon seit Jahren machen wollten:
das Nest zum Wohnzimmerfenster des Nachbarhauses tragen und dort mit Schwung feste auf die Scheibe drücken.

Was auch immer dann passieren wird, schauen Sie nicht nach links oder rechts,
schauen Sie den Kindern des Nachbarn, welche sich durch das Nest und ihre Erscheinung im Fenster vom laut brüllenden Fernseher abgewendet haben, direkt in die Augen, und dann schreien Sie aus voller Kehle:

Dran bleiben Kinder!


© Hagen Rehborn 2005/2008

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Dienstag, 2. September 2008

Vorfall im Discounter






















Vorfall im Supermarkt

Ein Besuch im Discounter macht glücklich.
Der Parkplatz ist gross und weit, egal wann man kommt, es gibt es eine ausreichende Menge von Stellplätzen. Alles ist rein und sauber. Zeitraubende Ablenkung ist nicht vorgesehen. Die Einkaufwagen sind immer da, vor ihnen ein kurzer Blick auf die kommenden Angebote, dann mit der randvollen Ikeatasche zum Pfandabgaberaum, in dem es stets ein wenig nach vergorenem Traubenmost riecht.
Das Einlegen der Pfandflaschen ist dann doch ein wenig aufregend:
Wird die Maschine meine Flasche ausnahmslos schlucken oder wird es abweichende, lesegestörte Ausfälle geben, für die ich zwar einmal Pfand bezahlt habe, aber für die ich nun zunächst keinen Rückbong erhalten werde? Wird die Maschine die Flaschen wie einen elastischen Punching Ball mir entgegenwürgen und dabei laut schreiend alle die hinter mir stehen darauf aufmerksam machen, dass ich vorsätzlichen Pfandbetrug begehn will?
Aber ich kann doch nichts dafür! Diese Flaschen sind im gleichen Discounter gekauft worden, nein ich habe sie sogar selber in diesem Discounter gekauft. Ich weiss es, ich kann es beschwören, ich kann es der Welt beim Leben meiner ungeborenen Kinder auf Knien entgegenschreien: Ich betrüge meinen Lieblingsdiscounter nicht! Ich betrüge doch niemanden ...
Ich schaue auf und da halte ich das unglaubliche in der Hand, ich ziehe sie aus der blauen Ikeatasche und schon bevor ich versuche sie in den Ladeschacht zu stecken, sehe ich es mit unvorstellbarer Fassungslosigkeit: die Flasche hat keine Banderole. Einfach nichts, blanker halbopaker Kunststoff, da wo eine Pfandflaschenmarkierung sein sollte, nur die Flasche. Der unversehrte Flaschenhals belegt das andere Unvorstellbare: da war nie eine Banderole, dort ist nie eine Banderole angebracht worden, was bedeutet, dass ich völlig unverschuldet in diese missliche Peinlichkeit geraten bin. Diese Flasche kann nie geschreddert werden, weil niemals ein Pfandlogo auf sie geklebt worden ist und ich Schaf habe trotzdem Pfand entrichten müssen. Nichtsdestotrotz stecke ich die Flasche mit erhabener Gleichgültigkeit in die Maschine, was kann ich schliesslich dafür? Sie kommt natürlich mit Alarmpiepsen zurück aus dem Schacht auf mich zu, dabei blinkt die Beleuchtung wie bei einem Polizei Noteinsatz. Tatutata, diese Flasche will hier nicht rein, sie muss ganz illegal sein
Ein Herstellungsfehler könnte mir das Konsumentengenick brechen.
Ich entnehme benommen den Pfandbon und entwinde mich den fassungslosen Blicken der hinter mir Gaffenden.

Im Laden fülle ich ohne weitere Vorkommnisse meinen Einkaufswagen, in dem noch die leere Flasche still vor sich hin leuchtet.
An der Kasse gibt es ein kurzes Anstehen, Auflegen der Artikel aus dem Wagen auf das Band und Zuschauen, wie die Frau vor mir sich zum bezahlen anschickt. Leichtes Herzklopfen, feuchte Stirn, ich bereite mich auf meinen Satz vor: "Diese Flasche nimmt der Automat nicht an, ich habe die Banderole nicht abgemacht, die Flasche muss sich schon so im Sechserpack beim Kauf befunden haben."
Plötzliches Stocken bei der Kundin vor mir. Sie hat noch eine Tüte voller Pfandflaschen in ihrem Einkaufswagen, den sie nun mit der Bemerkung, der Automat sei nach diesem jungen Herrn, sie weist mit dem Finger auf mich, ausgefallen und sie wolle sie nun hier an der Kasse abgeben. Die Kassierin reagiert spontan ablehnend und formuliert: Wenn der Automat ausgefallen sei, so könne sie ja nichts dafür und von ihrem Chef habe sie die eindeutige Anweisung erhalten keine Pfandflaschen entgegenzunehmen.
Die Kundin ist freundlich, aber bestimmt und kontert, dass sie ja nun nicht für das Ausfallen der Maschine verantwortlich sei und sie nun schlecht das Pfandgut wieder mit nach Hause nehmen könne. Die Kassiererin hält das aber für einen ausgezeichnete Idee und bestärkt die Kundin durch die Formulierung des Satzes: "Sie können die Flaschen ja bei ihrem nächsten Besuch wieder mitbringen, dann ist die Pfandmaschine sicherlich wieder funktionsfähig, es kommt eh ganz selten zu Komplettausfällen". Die Kundin sieht dies etwas anders und verweist auf die derzeit zwei ausgefallene Maschinen, da ja bereits bei meinem Eintreffen Automat zwei ausser Betrieb war und durch ein dementsprechendes Schild gekennzeichnet war.
Die Kassiererin gestikuliert, mein Kleinhirn oder ist es das Grosshirn, schaltet die akute Schallabtastung zugunsten einer introversen Selbstanhörung aus.
Wenn die da jetzt schon so unfreundlich ist, was mache ich nur mit meiner Flasche?
Vor der Kasse niederknien, Sitzstreik, Verweigerung des Bezahlens bis zur Abwehraufgabe?
Ich schrecke auf, die Kassiererin ist mit dem Zählen der leeren Flaschen beschäftigt. Überraschenderweise scheint sie diese nun doch anzunehmen, die lächelt sogar und die Kundin strahl über beide Ohren. Ich bin verwirrt, da ich einfach nicht bemerkt habe, wie die Kundin diesen Sinneswandel herbeigeführt haben könnte.
Ich bin an der Reihe. Ich stelle mich rechts von der Kasse auf und nehme die Waren nach dem Scannen in meinen Einkaufswagen. Nach wenigen Teilen halte ich die leere Flasche hoch und sage der Kassierin, dass der Automat vor seinem Ausfall diese Flasche nicht angenommen habe. Sie entgegnet darauf, dass der Automat grundsätzlich keine Flaschen ohne Banderole annehme. Ich sagte daraufhin, dass ich dies gemerkt habe und sie dies nun gegen Erstattung des Pfandes machen solle. Sie entgegnet bestimmt, nachdem sie nun meinen gesamten Einkauf gescanned hat, sie könne die Flasche nicht annehmen, weil sie von ihrem Chef die Anweisung habe, dies nicht zu tun. Ich bleibe standhaft, sie wiederholt gebetsmühlenhaft, ihr Chef würde hier entscheiden und sie könne das nicht alleine Verantworten. Ich beginne zu schwitzen, ein leichter Schwindel bemächtigt sich meines Gesichtsfeldes. Eine Pause entsteht, ich überlege nicht, sondern handle intuitiv:
"Nah ja, keine persönliche Verantwortung übernehmen, das hatten wir ins Deutschland ja schon mal, das Ergebnis war, wie doch wissen sollten, verheerend …"
Autsch! Mein schnell ansteigender Stresspegel hatte mich vergessen lassen, dass ich nicht alleine an der Kasse bin und nun bemerke ich von den anderen an der Kasse anstehenden Kunden lautartige Reaktionen, die mich aufschrecken lassen.

"Jetzt mach aber mal hinne, Mann", ruft der Dicke hinter mir, der auch eine mächtige Tüte voller Pfandflaschen im Wagen liegen hat.
"Solche Belehrungen brauchen wir hier nicht", schallt es von der Nachbarkasse, die Frau hat offenbar noch lebhafte Erinnerungen an eine für sie glorreichere deutsche Vergangenheit. Ich gehe zu Nachbarkasse rüber und sage sehr laut zu ihr: "Mit Ihnen rede ich nicht, wieso fühlen sie sich jetzt denn bitte angesprochen?"
Die Leute in meiner Kassenschlange äussern sich nun bedeutend lauter und fordern mich unverholen zum bezahlen auf.
Ich verspüre Todesangst. Die Kassiererin schüttelt unentwegt den Kopf und murmelt etwas von ihrem Chef und nimmt, während sie mich verspannt anstarrt die Flasche und tippt die Pfandrückgabe ein. Minus fünfundzwanzig Cent.
Bingo! Mein Stresspegel sinkt heftig und ich höre beim Verlassen des Geschäftes, wie der Dicke anfängt mit der Kassiererin zu debattieren. "Mein Chef möchte das aber nicht ..."

Marktwirtschaft macht frei. Ich habe es bisher geschafft weder ein weiteres Mal in dieser Gegend einzukaufen, noch diesen Discounter überhaupt zu frequentieren, aber in diesem Land gibt es nur eine ernstzunehmende Alternative, alles andere könnte ich mir nicht wirklich leisten, nur eine Frage der Zeit, wann es da zu echten Entscheidungsengpässen kommen wird.

© Hagen Rehborn 2008