Sonntag, 14. September 2008

Der Flüchtende


















Fahrtzeit eineinhalb Stunden.
Boulevard der Träume,
Boulevard im Schnee.
Du, der Kamm der Welle, sie kippt, das Glück schüttet sich in einen Eimer aus rotem Plastik.
Widerstandsfreie Parade junger Menschen zu abgenuckelten Orten des Verkehrsstillstandes.
Wer immer Du auch sein magst Gott, pack deine Sachen und hau ab!

Fluchtplan: Paris 21.10 Uhr, Air France 21.45 Uhr, letzter Flug, müdes Personal, umsteigen in Los Angeles, die andere Richtung ist immer die richtige.
Keramikmesser werden beim Check-In tatsächlich nicht gefunden.
Ein gefundenes Fressen für meine Söhne, fliegen wie ein Adler auf dieser Welle, diese eine Welle ...

Nichts wird mich halten, ich werde in den Tatooladen gehen, meine Zeichnung herausholen und dem Mann beim Studieren den Kopf abschlagen, 
das Papier, voller kleiner roter Spritzer, eine Spitzenzeichnung, Rekordpreis für Konzept - Art 2005, 
Wal-Mart und die Tüten.

Marseille Hauptbahnhof an 22.55 Uhr, 
Du auf dem Bahnsteig, eine alte Zeitung unter dem Arm, ich liebe das.
Die Zeitung durchtränkt mit Balsamterpentin, Buchstaben auf transparenter gräulicher Fläche, das ist, was du anfassen sollst, mit deinen wunder-, wunderbaren Fingern.
Weiße Nägel auf brauner Haut, die Klappen eines Saxophones.

Letzter Aufruf, Sydney 03.15 Uhr Europäischer Zeit, 
Bambus Haine weltweit, von dort nur noch ca. 2000 km.

Mein jüngster Sohn hätte gesagt: Ja, Pappa, ich will das Auto fahren, im Herbst, so schnell, endlose Wege an grauen Grachten vorbei, die Unmöglichkeit zu vergessen, was nie stattgefunden hat.
Halte meine Hand, ich werde alt und muß stets lauter schreien, eine Insel im Strudel, das Grab der Gefühle für eine gescheiterte Liebe zu mir selbst.
Was für ein Gejammere, du Schwächling, so wirst Du nie mein Sohn sein.

Boulevard der Träume,
Boulevard im Schnee.
Ein Einbaum im späten Abendlicht.
Dunkle Kreise auf Deiner Haut, was für eine fixe Idee, die Welle bricht, der Kamm schlägt auf die gekräuselten Spiele unterhalb Deiner Knie.
Vorbei, vorbei, vorbei gehst du am Ende.

© Hagen Rehborn 2005/2008

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