Samstag, 16. April 2011

Kosmos























Kosmos


du sagst mir, dass es dir gut geht

ich sage dir, dass ich geil bin

du fragst danach, was ich gerade so mache

ich möchte wissen, was du gerade an hast

du erzählst mir von deinen Eltern

ich erzähle dir von meiner Schwester

wir wissen beide etwas über unsere Sternzeichen


die Erde dreht sich, der Mond scheint

die Sterne leuchten

das Universum ist unendlich

und meistens sehr kalt

wir können es nicht verstehen

nur wenn wir träumen

am Telefon - bis zur Erschöpfung


sag meinen Namen und ich sage deinen Namen

sag mir einen Scherz und ich gebe dir mein Lachen

ich flüstere etwas in den Hörer

du sagst, dass du mich nicht hören kannst

die Verbindung bricht ab

wir rufen uns gleichzeitig zurück

und bemerken es erst im Nachhinein


wenn du wieder hier bist, werden wir uns sehen

wenn wir einen geeigneten Treffpunkt gefunden haben

und wenn wir beide Zeit haben

die Angst ist gross, dass wir nur unsere Stimmen mögen

wir sind beunruhigt über unsere Grösse

wir sind beunruhigt über unser Gewicht

wir wissen beide, dass es schon am Anfang vorbei sein kann


"Schau mir in die Augen Kleiner", sagte der Kosmonaut


© Hagen Rehborn 2011

Mittwoch, 13. April 2011

Deine Zunge




















Deine Zunge


Unsere Liebe

ist wie ein frischer Joghurt


Ich ziehe den Deckel vom Becher

und tauche meinen Löffel hinein


Er ist leicht, sahnig und

schmilzt auf meiner Zunge


Irgendwann werde ich versuchen

ihn mit Marmelade zu süssen


Nach der Marmelade kommt der Honig

und dann der Zitronensaft


Doch ich kann seinen reinen Geschmack nicht vergessen

und werde mich nach Joghurt ohne Zusatz sehnen


Deine Zunge auf meinen Lippen

Gestern und Vorgestern


© Hagen Rehborn 2011

Mittwoch, 6. April 2011

Der Vater meiner Mutter





























Der Vater meiner Mutter


Franklin D. Roosevelt starb,

Als Europa in einem Orkan des Bösen versank

Millionen gingen unter

Länder zerfielen - Völkerwanderung

Wenige wurden mit offenen Armen empfangen


Mein Grossvater starb

Als alle sich gerettet wähnten

Ein Krebs zerfrass seine Lunge

Front - Gefangenschaft - Kettenraucher

Er war verändert zurückgekehrt


Eine Tochter

Die das Bild ihres Vaters in die Mülltonne wirft

Sie hat ihre eigene Erinnerung

Wie andere, teilt sie diese nur auf Nachfrage

Wer seine Heimat verlor, glaubt nicht an die Ewigkeit


Er hiess Ernst

Wie später ihr eigener Sohn

Der sie sehr liebte

Man fand, dass er grosse Ähnlichkeit mit dem Opa habe

Den er nie kennenlernen konnte


Ein Enkel, der dich nie kannte

Ein Enkel, an den du nie dachtest

Sieht dein fotografisches Antlitz

Schaut in deine Augen

Und fragt sich, wie du gewesen sein könntest


« Alles retuschiert », sagte die Tochter

So wie die Erinnerungen, fand er

Nichts blieb und doch wollte er bewahren

Damit etwas blieb, was jeder verstand

Die Liebe zum Leben