reihenhaussiedlungen grenzen an baumärkte
das eine gebärt sich aus dem anderen
wie wenn alter beton mit erde zu neuem baumaterial werde
arschlöcher ohne geld fühlen sich hier zuhause
sie grillen bis der garten lodert ohne wenn und aber
das machen hier alle so, weisser kies und koniferen
staubgefäßfreie blumen in steinkübeln ohne wasserabfluss
kurzfristig ist die langfristige devise, was heute glänzt
ist morgen schon im müll, gelbe tonne, wunderbar
noch etwas plastik gefällig, kein problem, und alles gehört
dir ganz alleine, denn wer teilt ist schnell verloren
komm, ich zeige dir mein geheimnis morgen
die vögel wurden durch männer ausgerottet. ihre brutgebiete fielen der immer effizienter werdenden landwirtschaft zum opfer. der boden auf dem ihre nahrung gedieh wurde von männern zuplaniert und mit rechteckigen objekten bedeckt, in denen sich andere männer mit der vergiftung und der vermüllung der umwelt beschäftigten. aber das spürte er nicht, denn er sah nur sich und die von menschenhand gestaltete natur, deren aussehen rein garnichts mit dem zu tun hatte, was ohne menschlichen einfluss in der landschaft wachsen und diese prägen würde. natürlich gewachsen wäre ein dichter wald, der weder einen blick auf den horizont noch auf die phantastischen wolkentürme zuliess. ein wald, der so dicht gewesen wäre, dass ein mann sich darin verloren haben würde. aber es gab ihn nicht, diesen wald. und deswegen gab es die lerchen, die auf dem boden brüteten und steil in die luft flogen und dabei zwitscherten. sie waren die allegorie des zwitscherns. und den falken, der die myriaden von mäuse, welche in der menschgemachten landschaft lebten, jagen konnte und seine jungen damit ernährte. am rechten rand des blickfeldes gab es bäume, in die sich gerade ein regenguss aus dunkelgrauen schwanden ergoss. die bäume waren bestandteil einer grenzziehung. der übergang vom feld zu einem eingezäunten bereich. ein kleiner see, der aus dem abbau von kies zum zubetonieren anderere landschaftsbereiche entstanden war, markierte hier einen art umwaldeten bereich, der wie wildnis im vergleich zur landwirtschaftlichen zone wirkte. er kannte diese baggerseen, an denen man wunderbar in der sonne dösen und in ihrem kalten wasser schwimmen konnte. wenn sie nicht von angelvereinen oder den ursprünglichen kiesabauunternehmen zu verbotenen zonen erklärt worden waren. an einem baggersee hatte er in seiner jugend geschwommen und in der sonne gelegen. er hatte seine badehose nicht angezogen. vereinigung mit dem weichen wasser in der gestalteten natürlichkeit. alleine sein unter dem weiten himmel und der warmen sonne. sein geschlecht erregte sich am warmen wind. es erregte sich ohne das er es wollte. es war wie beim zugfahren und er musste eine menge bilder aufrufen um der erregung herr zu werden, unter den wolkentürmen, die sich im licht des nachmittags gelb zu färben begannen. und sich irgendwann an der grenze der siedlung mit der gärtnerei, die bald ein baumarkt werden würde, dunkelgrau abregneten. auf die gärten der reihenhäuser, deren seelen wie die entwurzelte knollen eines staudengartens doch sprossen. sie sprossen im dreitvierteltakt der tanzschule am rande des industriegebietes, in dem man seinen wagen mit besonders weichen stoffwalzen waschen lassen konnte. so sauber, so rein, wie die felder und die geteerten feldwege dazwischen. manche würden irgendwann eine strasse werden. das hätte man nicht gedacht vor zwei jahrzehnten, als man noch freihändig auf dem fahrrad zwischen den wegrainen radelte. kein gegenverkehr. ab und an ein anderer freihandfahrer und dann die alten, mit den schweren rädern, die pflanzensetzlinge in die schrebergärten fuhren. kohl, salat, tomaten auf holztabletts. schwalben, die wie schwarze kleine keile durch die luft schossen und unermüdlich insekten schnappten. sie brüteten unter der regenrinne der nachkriegskirche, vor der ein Jugendzentrum gebaut wurde, auf das manche farbbeutel warfen, weil sie nicht verstanden, warum der bolzplatz vor der kirche zerstört worden war. die schwalben sind fort und sie kommen im frühjahr nicht mehr wieder. die kirche wurde saniert, das dach wärmegedämmt. die schwebenden nester mussten weg. ihre gellenden schreie waren wie ein echo am himmel zu hören.
der lärm hat zugenommen. mehr autos, mehr flugzeuge und mehr maschinen, die in den gärten der siedlungen ordung schaffen. rasenmäher und hächsler den ganzen tag. keine pausen mehr, denn irgend jemand hat immer zeit und ist zu hause. früher war man nicht zu hause, man war in der schule oder arbeiten oder in der kirche oder beim sport oder man war hausfrau und kochte ein essen, das heute als dreigeängemenü durchgeht. schmeckt aber anders, weil der hunger nachgelassen hat. graupen sind schwierig. ausgleichsflächen gibt es heute für die von der neuen bahntrasse verbrauchten felder. das ist einfach. sie pflanzen ein paar bäume an den wegesrand, nennen es landschaftsschutzgebiet. das steht auf dem schild was bald zu rosten anfangen wird, weil es von unbekannten als zielscheibe beschossen wurde. das was früher hässlich war ist heute weg. der schrottplatz mit dem wald aus brennesseln. das ausgebrannte haus mit den birken auf dem dach. schandflecken hat das meine oma genannt. was würde sie wohl sagen, wenn sie heute wieder zum leben erwachen würde. bestimmt gefiele ihr einiges recht gut. bevor sie starb hat sie beim katholischen priester in meinem dorf, welches nun zur vorstadt geworden ist, ein neues gebetbuch mit goldkante bestellt. im schuber aus schwarzem kunstleder, mit seidenbändchen und widmung unter einem modernen goldenen kreuz in tiefprägung auf der ersten seite. „für mein scheißerchen“ hätte sie drucken lassen sollen, aber sie hatte doch meinen echten namen gewählt. der priester hatte immer so saubere hände mit perfekt manikürten nägeln. und er roch nach altmodischem rasierwasser. seine stimme hatte etwas erotisches und seine haushälterin war gleichzeitig auch seine schwester. die hatte hochgesteckte haare mit grauen strähnen und man sah sie mit dem gebetbuch in der hand zur spätmesse eilen, nachdem ihr bruder schon früher in der kirche verschwunden war. seine schwarzen hosen hatten glänzende stellen vom zu langen tragen. und einen küster mit bart und dicker brille gab es, der nicht viel zu reden pflegte. er spielte die orgel und dazu ertönten die unsäglichen stimmen der großmütter wie sirenen aus den vorderen reihen. man hat ihn versetzt, nachdem seine pfarrei nicht mehr genug gemeindemitglieder hatte. er ging fort als die meisten kriegsvertriebenen verstorben waren und der glaube mit ihnen verschwand. der fronleichnamspravillon im vermüllten park wurde angezündet, die bänke wurden zu schuhabstreifern und die wirtschaftsgärten wurden zu rasenflächen. denn keiner hatte mehr zeit und kraft selber gemüse anzubauen. die discounter stehen nun an jeder ehemaligen feldweggabelung. das gemüse dort ist verhältnismäßig günstig und kommt aus spanien oder ägypten. radikale spritzmittel sind nicht mehr so leicht zu haben. das sollte den gärten helfen sich vom gemüseanbau zu erholen, aber ein teppichähnlicher rasen mit sitzgelegenheiten bietet nur sehr wenigen tieren einen lebensraum. ameisen stört das alles wenig und sie schleppen wie ehedem die läuse auf die pflanzen. hecken werden durch mauern, zypressen und oder zäune ersetzt. eine hecke gerade zu schneiden ist nicht einfach. man braucht viel erfahrung und ein gutes augenmaß. elektroscheren zerfetzen das blattwerk auf dem mehltau zu wachsen beginnt. wer will so etwas kompliziertes als aushängeschild vor seinem neu erworbenen haus.
sein ganzes anwesen in einem meer von kieselsteinen schwimmen lassen. da wächst nur noch moos, ausnahmsweise. tauben und ameisen waren die höhepunkte meiner kindlichen gartenaufenthalte. ameisen mit stöcken töten und vor den kreisenden taubenschwärmen schreiend in deckung rennen. die gibt es jetzt auch noch, aber sie sehen anders aus. schlanke brieftauben hat keiner mehr. die ringeltauben aus dem wald sind aus mysteriösen gründen nun schon so groß wie enten. gurrend füllen die ihren kropf mit vogelfutter aus dem baumarkt. manche vogelhäuser werden nun ganzjährig betrieben und nach dem ausbringen von frischen körnern gleicht die szenerie einem schwarm geier auf einer toten, bereits ausgeweideten giraffe in der serengeti. bis die katzen aus den häusern kommen und sich schnell einen singvogel schnappen, damit ihr tag einen sinn bekommt.
der himmel mit glühenden wolken am abend bleibt unberührt, das licht spielt mit der landschaft und den dingen, die man in ihr errichtet hat. bläuliche bis anthrazitfarbene wolkentürme, die vor dem abendrot immer dunkler erscheinen. im letzten licht verschmelzen sie mit dem was der horizont als kontur zu bieten hat. menschen wissen nur eines ganz sicher: sie werden sterben, früher oder später, wie die, die hier zuvor gelebt haben. wie der falke und die mäuse. da nützt kein wildkrautfreier vorgarten und kein tiefer gelegtes automobil etwas. allenfalls demut vor der größe des alls hinter den wolken, welches man zu sehen meint, wenn man sich nur lange genug auf einen punkt im blau des himmels konzentriert, hinter dem für lichtjahre nichts mehr kommt, als das unendliche vakuum. gott muss ein ziemlich merkwürdiger typ sein. ich glaube es gibt ihn nicht. manchmal.
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