Donnerstag, 15. November 2018

Palmera - Ostsee

"Palmera - Ostsee", Acryl auf Papier / acrylics on paper, 150 x 225 cm, 2018

Freitag, 9. November 2018

brandenburg

brandenburg

die goldenen birken leuchten 
unter strahlend blauem firmament
schon am mittag kündet der abend
die zeit beschleunigt das licht
viele rehe stehen auf weiden - kraniche tanzen zu techno 
der in provinzstädtchen aus scheinbar unbewohnten häusern schallt
ein güterzug fährt trotzkistisches gold durch brandenburg
für spanien bestimmt, wurde es von einem wehmütigen weichensteller versehentlich umgeleitet
gold zu erde, erde zu gold
geplatzte sommerträume verharren hinter brombeerdornengebüsch
komm und lade dich selber ein zu einer kutschfahrt an der autobahn

pappelgoldregen in feuchten kühlen mulden
wegweiser zur räumlichen verwirrnis
in netzfreien naturzonen  


© Hagen Rehborn 2018

Dienstag, 6. November 2018

Im Museum

Im Museum

Sie geht mit schnellen Schritten auf den Eingangsbereich zu.
Ihre Umgebung nimmt sie nur schemenhaft wahr. Fest umfaßt sie den unter ihrem Arm geklemmten Keilrahmen. In der Vorhalle läuft sie mit starr nach vorne gerichtetem Blick am Empfang und der Kasse vorbei. Ihre Ledersohlen erzeugen ein lautes Klack-Geräusch auf dem Parkettboden.
Die Kassiererin ruft etwas. Der Sicherheitsbeamte vor dem ersten Ausstellungsraum tritt ihr entgegen.
Sie greift in ihre Handtasche, zieht eine kleine Spraydose und hält sie mit ausgestrecktem Arm vor sich.
Der Mann greift sich ins Gesicht und stürzt zu Boden. Sie verschwindet um die Ecke. Ihre energischen Schritte sind deutlich zu hören. An der Kasse werden Telefone betätigt. Aufgeregte Stimmen. Ein Alarmton erschallt im Raum. Menschen rennen.
Sie durchquert den zweiten Ausstellungsraum. Den zweiten Sicherheitsbeamten hat sie schon zu Boden gestreckt. Eine Aufpasserin verzichtet daraufhin einzugreifen und rennt mit ängstlichem Blick in entgegengesetzter Richtung aus ihrem Gesichtsfeld. Eine Ausstellungsbesucherin starrt sie entgeistert an. Sie stürmt an ihr vorbei durch den dritten Raum und dort direkt auf eines der zentral gehängten Hochformate zu. Sie stellt ihr mitgebrachtes Bild seitlich auf den Boden, ergreift das große Bild an der Wand, zerrt daran und reißt es schließlich mit einem verhaltenen Stöhnen von der Wand und schleudert es hinter sich in die Mitte des Raumes. Ein weiterer Alarmton erschallt. Sie nimmt ihr mitgebrachtes Bild, entfernt hastig die Verpackungsfolie, löst auf der Rückseite den Schutzfilm des dort auf dem Keilrahmen angebrachten Teppichklebebandes und drückt das Bild energisch gegen die Wand, wo es bündig kleben bleibt.
„So“, spricht sie deutlich hörbar vor sich hin, „So, jetzt hänge ich hier.“ Sie keucht. „Ich hier ...“, wiederholt sie nochmals leiser und in Atemnot und beginnt zu schluchzen. Ihr Körper erbebt, während sie Abstand vom Bild nimmt um die ganze Wand erfassen zu können. Tränen laufen ihr über das Gesicht. Sie spürt es nicht, sie sieht nichts außer ihrem Bild an der Wand. Im Durchgang ertönen hastige Schritte, zwei Sicherheitsbeamte erscheinen. Sie dreht sich nicht um. „Ich hier.“, murmelt sie erneut und sackt erschöpft auf die Knie.

In den Unterlagen des behandelnden Psychiaters finden sich niedergeschriebene Antworten aus Gesprächen, die in den letzten Wochen mit der Patientin geführt wurden. „Was denken Sie denn? Ich habe mich in den letzten Jahren für viele Stipendien beworben. Ich glaube es waren bestimmt mehr als vierzig Stück. Schon während der Zeit an der Akademie habe ich mich bei allen Ausschreibungen beworben, die für Studenten zur Verfügung standen. Später dann die üblichen Sachen bei Stiftungen, dem Bund, ja und den von Privatpersonen oder Firmen ausgelobten Kunstpreisen (…) Es hat nie funktioniert, keiner wollte mir eine Unterstützung bewilligen oder einen Förderpreis zusprechen. Dabei haben sie immer anstatt meiner Künstler bedacht, deren Arbeiten in keinster Weise besser oder höherwertig zu sein schienen. Was soll ich daraus bitte schön für Schlussfolgerungen ziehen?“
Der behandelnde Arzt kommentiert darunter: Die Patientin wirkt bei ihren Ausführungen stets erregt und gereizt. Ein gewisser Sarkasmus ist in ihrer Stimmlage und Weltsicht unverkennbar. Ihr beruflicher Misserfolg hat sich zu ihrem Lebensdebakel verdichtet. Sie definiert sich ausschliesslich über das von ihr angenommene Verachtetwerden durch die sogenannte Kunstszene, die sich angeblich für ihre künstlerische Arbeiten nicht interessiert, diese ignoriert und sie weder für förderungswürdig noch ausstellenswert hält. Die daraus resultierende Entwertung ihrer gesamten Persönlichkeit führt für sie zu Depressionen, ja sogar Selbstverachtung. Ihre Kunst wird aus für sie unerklärlichen Gründen nicht beachtet. Als Künstlerin fühlt sie sich nicht wahrgenommen und stets werden ihrer Auffassung nach andere vorgezogen, deren Förderung sich aber nicht durch deren Werk begründen ließe, sondern einzig und alleine in einer Art von Protektionismus durch Nichtskönner und Dilettanten zu erklären sei. Sie findet die gesamte Kunstszenerie, ihrer Meinung nach ein Zusammenschluss aus Ausstellungskuratoren, Galeristen und von diesen geförderten untalentierten Künstlern, als verlogen, korrupt und inkompetent an. Diese würden nichts anderes tun, als die Öffentlichkeit zu betrügen und sich selbst eine Vielzahl von persönlichen Vorteilen zuzuschieben. Wer einmal durch dieses Netz der persönlichen Vorteilsname gerutscht sei, könne nie mehr auf eine Anerkennung seiner Arbeit als bildender Künstler hoffen. Warum sie selber durch dieses Netzt gerutscht sei, ist ihr allerdings schleierhaft und sie nimmt die Tatsache ihrer Erfolglosigkeit wie ein Stigma wahr, dessen Ursache sie nicht ergründen könne. 
Zitat: „Ja was glauben Sie denn, was ich machen würde, wenn ich wüsste woran es läge?! Natürlich würde ich keinen Moment zögern die Ursache für mein Scheitern zu beseitigen. Aber ich erkenne seit Jahren nicht, warum ich es nicht geschafft habe. Dabei kann am Ende nur ausschlaggebend sein, dass ich es in einem bestimmten Moment vor längerer Zeit nicht richtig angegangen bin und im persönlichen Umgang mit einer einflussreichen Persönlichkeit falsch reagiert habe. Daraufhin war mir der Weg für immer verbaut. Aber ich weiß nicht durch was und wann das geschehen sein könnte. Darüber hinaus bleibt mir nur die Annahme, dass mein Werk falsch ist und dass alles was ich bisher gemacht habe nicht dem Geschmack der verantwortlichen Kreise zu entsprechen scheint. In der jüngeren Vergangenheit komme ich zu dem Schluss, dass meine Kunst einfach zu provokant ist und dann denke ich wieder sie ist zu gefällig oder zu dilettantisch, dabei ist mir ganz klar, dass dies eigentlich nicht sein kann.“

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