Feiertagsbesuch (Allerheiligen) im Ehrenhof Düsseldorf
Die Carravaggio Ausstellung hatte ich bei einem anderen kürzlichen Besuch in Düsseldorf beiseite gelassen und mir die ausgezeichnete Bacon Ausstellung in der Kunstsammlung NRW anzuschauen. Da war ich an einem Wochentag und es war angenehm leer. Beim Caravaggio war erst mal anstehen an der Kasse angesagt, weil anscheinend bei Überfüllung der Ausstellungsräume die Kassen geschlossen werden müssen. Der ziemlich unglaubliche Eintrittspreis von 10 Euro pro Person wird auf 9 Euro reduziert, wenn man ADAC Mitglied ist, wie schön, daß Caravaggio ein Herz für versicherte Autofahrer hat...
Was gibts zu sehen? Einige wirklich wichtige und wunderbare Bilder und zu den meisten mindestens eine oder mehrere Kopien. Warum die dort hängen ist auch beim Durchlesen des gesamten und umfangreichen an den Wänden angeschlagenen Begleittextes nicht nachvollziehbar. Man erkennt nach kurzer Blickschule sehr gut, was ein Original sein muss und was eine dann zumeist wirklich eher schlechte Kopie ist.
Die Maltechnik, der spezielle erste Farbauftrag Caravaggios wird gut erklärt und eigentlich müßte jeder sehen können, was das Bleiweis in den Bildern bewirkt.
Circa dreißig Caravaggio Bilder hängen auf braun-beigen Untergründen, die Beleuchtung ist gedämpft, die Bilder werden von warmen gelblichen Spots angestrahlt. Die Architektur der Trennwände wirkt wie in einer kleinen dunklen Kapelle oder einem Plazzo mit halb zugezogenen schweren Brokatvorhängen. Steht man zu nah davor sieht man nicht so viel, weil dann Lichtreflexe auftreten, die bei ausreichendem Abstand verschwinden. Das ist unbewußt gut gelöst, so steht niemand direkt vor den Bildern und verdeckt alles. Die teilweise anstrengend opulenten Goldrahmen treten etwas in den Hintergrund, auch wenn man nicht um sie herum kommt, sicherlich eine merkwürdige Auffassung, aber ich denke häufiger, daß solche Bilder für eine Ausstellung von ihrem Rahmen befreit werden sollten. Allerdings, wenn schon Bilder des 20igesten Jahrhunderts, wie Picassos und Renoirs in fetten Goldrahmen prangen, warum sollte dann irgend jemand Verständnis dafür haben frühbarocke Bilder zu erleichtern. Die Konzentration auf das Bild wird deutlich durch große offensichtlich kostbare Rahmen verändert, daß darin eine auch ursprüngliche Tradition steckt und die Bilder niemals ohne Rahmen gezeigt werden sollten und somit auch Caravaggio gewusst hatte, daß sie so gezeigt würden, ist richtig, aber er konnte nicht wissen, daß seine Bilder einmal in Ausstellungen zusammengetragen würden und in diesem Zusammenhang nicht mehr Einrichtungsobjekte sind, die von ihrer Umgebung separiert und durch eine goldene Einfassung in ihrer kostbaren Bedeutung unterstrichen werden müssen, sondern vielmehr der Blick einzig auf sie und ihre Motive gerichtet ist. Nun einem bürgerlichen Publikum müsste diese Sichtweise sicherlich vermittelt werden, aber in Anbetracht der in diesem Falle vorliegenden konservatorischen und versischerungstechnischen Problemen etwas illusorisch. Interessanter Weise werden die Bilder in Katalogen ja in der überwiegenden Mehrheit der Fälle ohne Rahmen dargestellt, in diesem Zusamenhang scheint es dann wieder zu gehen und dann wird auch gnadenlos auf weißen Seiten und mit weißem Rand abgebildet…
Bei Francis Bacon bekommt diese Katalog Ignoranz eine besondere Qualität, hat er doch seine Bilder bewußt als künstlerische Vorgabe in Gold rahmen und hinter Glas setzen lassen. In den Katalogen fallen die Rahmen völlig weg, eigentlich ein kunstwissenschaftlicher Offenbarungseid... Daß das Glas sicherlich problematisch werden könnte für eine Reproduktion sehe ich auch, aber die Goldrahmen lassen sich ja sogar in Photoshop nachträglich anfügen…
Bei Herrn Carvaggio werden jedenfalls keine Kosten in der Präsentation gespart und um die Räume nicht zu leer erscheinen zu lassen, hat man auch noch fleißig Kopien der Originale ausgeliehen und diese daneben gehängt. Nur warum, das wird nicht wirklich klar.
Begreift man doch recht schnell anhand eines Beispieles, daß die existierenden Kopien immer sehr anders als die Originale ausehen, weil die Einzigartigkeit der Caravaggios eben sehr speziell ist, aber eben genauso speziell wie bei jedem anderen guten Maler. Ginge es darum zu beweisen, dass man einen Caravaggio nicht fälschen könnte, so ist das natürlich grober Unfug. Visuell lässt sich jedes Bild fälschen, es ist nur eine Frage des Aufwandes. Warum also wird man als Besucher mit bis zu vier offensichtlichen Kopien auf ein Original traktiert, anstatt die gesamte verbrauchte Hängfläche frei zu lassen und dem einzigartigen Original seinen Raum zu lassen. Im Ergebnis hat man dann Zuschauer, die andächtig vor einer drittklassigen Kopie stehen und das Original nicht beachten. Zu was soll das führen? Nur um zu belegen, daß man mit viel Aufwand in wissenschaftlichen Studien belegen konnte, daß schlechte Caravaggios eben keine sind? Und in einer Publikumsausstellung die wissenschaftliche Beweisführung vorzuführen, obwohl doch gerade dies in die mit Millionen subventionierten kunstwissenschftlichen Werkstätten und Doktoranden-Labors der Museen und Universitäten gehört, halte ich für verfehlt. Denn bei einer Ausstellung geht es nicht um den Beweis der Existenzberechtigung des kunstwissenschaftlichen Beriebes, sondern um die Präsentation einzigartig guter Kunstwerke.
Ausstellungstechnik ist 2006 sicherlich ein Muß und deshalb ist die Projektion eines nicht ausleihbaren Bildes gar keine abwegige Idee. Auch daß mit einem vergrößerten Ausschnitt auf die Unterschrift des Malers begonnen wird und dann sukzessiv in ca. acht Minuten herausgezoomt wird und dabei immer mehr Bestandteile des wunderbaren Bildes auftauchen ist eine überraschend gute Idee. Man entdeckt gewissermassen die Elemente des Bildaufbaues und wird vertraut mit der Idee der räumlichen Konstruktion. Leider wird diese filmische Reise in einem Caravaggio Bild mit einer automatischen Scharfstellfunktion projiziert. Das bewirkt ein lustiges Dauerscharfstellen, wie bei Diaprojektoren, die beim Bildwechsel neu fokussieren müssen. Was soll das? Gehört das mit zum Konzept? Acht Minuten fokussieren gefällig?
Eher nein, oder?
Und das für zehn Euro plus nochmal drei Euro für einen Audioguide. Ich war im Sommer mehrfach in London und kann nur feststellen, dass man sich dort freien Eintritt an allen Tagen leistet und das macht sich in der Zusammensetzung des Publikums bemerkbar. Sieht man in Düsseldorf fast ausschließlich wohlhabende Menschen, die sich bereits in neuer Herbst-und Wintercouture zeigen und zumeist über dreißig Jahre alt sind, so findet man in London alle und alles, insbesondere auch viele sehr junge Leute und von Wohlstandskleidung keine Spur… Nun, ermäßigte Karten würden immer noch siebeneinhalb Euro kosten...Dreizehn Euro für eine sicherlich sehr gute Ausstellung, die von mehreren reichen, bis sehr reichen Firmen gespornsert wird, steuerlich absetzbar selbstverständlich, das waren einmal sechundzwanzig Demark. Bringt man so breite Schichten der Bevölkerung ins Museum? By the way: Mein Kölner Künstlerausweis wird in Düsseldorf nicht als Ermäßigungsberechtigung anerkannt, in keinem Museum, schließlich sind wir ja in Nordrheinwestphalen und meinen Abschluß habe ich an der Akademie um die Ecke vom Ehrenhof gemacht…
In London hat man für den freien Eintritt keineswegs schlechtere Exponate, wer einmal in der National Gallery war, könnte sich äquivalent locker einhundert Pfund für eine Eintrittskarte abnehmen lassen, bliebe man im Düsseldorfer Preis-Leistungsverhältnis. Nein, dann müsste man man in düsseldorf den Katalog eignentlich für den Eintritt gratis dazu bekommen.