Donnerstag, 13. September 2012

Rede zur Eröffnung









Rede zur Eröffnung der Ausstellung "love, das kann ich auch"

in der Braunschweiger Galerie auf Zeit

am 12.09.2012




Sehr geehrte Besucher.

Mit Dank erfüllt mich zunächst der Gedanke, dass sie sich die Ausstellung mit Exponaten von Hagen Rehborn in der Galerie auf Zeit in Braunschweig anschauen und dafür einen Teil Ihrer sonst sinnvoll anders nutzbaren Freizeit opfern, denn was sonst kann es sein, dass man in einer Galerie bei der Betrachtung der Werke eines gänzlich unbekannten Künstlers mache könnte, Zeit verschwenden.
Sie werden mit großer Wahrscheinlichkeit ein regelmäßiger Besucher der Veranstaltungen der Galerie auf Zeit sein und aus einem allgemeinem Interesse an den dort stattfinden Ausstellungen erschienen sein, da mit einiger Sicherheit anzunehmen ist, dass Sie weder mich als Künstler, noch mein bisher entstandenes Werk kennen oder je zu Gesicht bekommen haben.
Sie verbringen ihre kostbare Freizeit offenbar aus unterschiedlichen, gegebenenfalls diffusen Gründen an diesem Ort in Braunschweig. Wahrscheinlich denken Sie, dass man Ihnen dafür ruhig einmal in aller Deutlichkeit Anerkennung zollen könnte, denn bisher hatte niemand sichtbar darauf verwiesen, dass Sie hier etwas opfern. Sie opfern sie, ihre kostbare Freizeit, gerade jetzt für meine Arbeiten. Bei der unüberschaubaren Anzahl von sogenannten bildenden Künstlern in dieser Bundesrepublik Deutschland, ist es kein ungewöhnlicher Umstand Künstler mit einer bescheidenen Biographie und bescheidenen Ausstellungserfolgen nicht zu kennen.

Im Falle meiner Person handelt es sich sogar um eine außerordentlich erregungsfreie Biographie, die es nahezu gänzlich wahrscheinlich macht, mein Werk und meinen Namen nicht zu kennen. Zu gering ist doch die Wahrnehmung meiner Wirkungsversuche bisher gewesen und auch zukünftig ist eine Änderung dieses Umstandes eher dem Bereich der Mythen und Träume zuzuordnen, so wie wir alle davon träumen mögen dereinst beachtet und weiträumig wahrgenommen zu werden und uns aus dem Meer der mehr oder weniger Gleichen zu erheben, so in diesem Falle aus dem Meer der mehr oder weniger gleichen und unbeachteten Künstler. Der Drang der allseits existenten Unwichtigkeit und Relativität zu entfliehen, ist allgemein und unter den Menschen verbreitet und findet ungünstiger Weise seine größte Ausprägung bei den sogenannten Künstlern. Ihr Beruf kommt tragischerweise einer Berufung gleich, deren Daseinsberechtigung nur auf die fanale Erhebung aus dem staubigen Nichts der Banalität abzielen kann, um dem eigenen Schaffen den Nimbus der bewahrenswerten Kostbarkeit, der kulturellen Bereicherung, der Unverzichtbarkeit für die Fortentwicklung der allgemeinen künstlerischen Entwicklung zu geben. Kanon werden, in den Standardwerken erscheinen und bei Sammlern hohe Preise erreichen, weil man gekauft wird, das ist es, was ein Künstler erzielen möchte, mal ganz davon abgesehen, dass er glaubt, seine Werke seinen ein unverzichtbarer bildnerischer Beitrag zu Essenz des Daseins.
Es lässt mich nicht los, Ihnen mitzuteilen, dass ich es beachtlich finde, dass Sie in diese Ausstellung gekommen sind, nein es ist sogar in allerhöchstem Maße erstaunlich, schliesslich gibt wenig, was dafür spricht, dass Sie nun gerade hier her gekommen sind.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie den Künstler, der seine Dinge an diesem Ort präsentiert, also mich, (und dies ist ganz im Heideggerschen Sinne auf die Dinghaftigkeit der Objekte beziehend) kennen, geht gegen Null.
Seine Biographie ist gänzlich unwichtig und sein bisher entstandenes Oeuvre unbekannt und unbeachtet. Ihr Erinnerungsvermögen hat keinerlei Informationen zu diesem Namen abgespeichert. Er ruft bei Ihnen keine Bilder eines typischen, damit zu verbindenden Kunststils wach.

Hagen Rehborn, wer ist das? Eine Ausstellung in der Galerie auf Zeit in Braunschweig.
Warum sind Sie hier? Sie kennen die Galerie und ihre wechselnden Räumlichkeiten? Oder Sie kennen andere Menschen, die hier hingehen und auch nicht genau wissen warum? Sie kennen den Initiator des Ausstellungsraumes Hans Gerd Hahn? Oder sie kennen Leute die Ihn kennen?
Ich denke, Sie sehen ein, Ihr Erscheinen ist außerordentlich fragwürdig ...
Nehmen wir an, Sie interessieren sich tatsächlich für die Kunst unbekannter Künstlern und opfern Ihre kostbare Zeit um diese in einer engagierten, aber wenig einflussreichen und vom offiziellen Kulturbetrieb kaum beachteten Galerie zu sehen, haben Sie nichts besseres zu tun?
Haben Sie so viel Freizeit, obwohl die westliche Gesellschaft das unentwegte sinnhafte In-Bewegung-Sein für jedes Individuum zum allgemeinen Lebensanspruch stilisiert, dass Sie diese in einer derartig unwichtigen Ausstellung verbringen können? Gehen Sie doch lieber wo anders hin.
Doch, wo ist "wo anders"?, werden Sie berechtigterweise fragen. Ich kann es Ihnen nicht genau sagen, aber es könnte dort sein, wo Dinge gezeigt werden, die von Bedeutung sind, weil sie von Künstlern geschaffen wurden, die entweder schon bekannt und somit als bedeutungsvoll eingestuft wurden oder aber deren Bedeutung nach Annahme derer, die für die Zuweisung von Bedeutung zuständig sind, sehr bald zunehmen wird. Also Orte, wo Kuratoren, Ausstellungsmacher und Journalisten sind, die feststellen, was schon jetzt oder zukünftig eine wichtige Sache sein wird.
Sie sehen also, alles läuft auf den Punkt hinaus, dass Sie aus unterschiedlichen Gründen hier sein könnten, die aber allesamt nicht viel mit Hagen Rehborn und seinen hier ausgestellten Kunstwerken zu tun haben.
Welche Aspekte hat dies für Hagen Rehborn? Was macht dies mit seiner Persönlichkeit, seiner Perspektive zu dieser Ausstellung und Ihrem unwahrscheinlichen Erscheinen?
Er wird, wenn er nicht gänzlich weltfremd ist, wissen, dass niemand seinen Namen kennt und seine Arbeit als Künstler gemeinhin fast unbekannt sein muß, sonst würde sie in der Vergangenheit, in anderen Ausstellungen, mehr Aufmerksamkeit hervorgerufen haben.
Er weiß auch, dass fast niemals jemand, der sich unbegründet oder begründet eine seiner Ausstellungen anschaute, etwas gekauft hat. Dies ist ein Umstand, der auch für Galeristen die Wahrscheinlichkeit einer Ausstellung mit den Arbeiten von Hagen Rehborn zu planen, eher unplausibel macht, denn schließlich möchte ein Galerist am Ende ja nichts anderes, als die in seinen Räumlichkeiten gezeigten Kunstwerke, auch verkaufen.
Es ist sogar so, dass fast niemals jemand Kunstwerke von Hagen Rehborn, auch außerhalb von Ausstellungen käuflich erworben hat. Er verkauft im Grunde fast nichts an Kunstinteressierte und wenn doch, dann ist es so selten, dass er zumeist überzeugt ist, man habe Ihm das Geld nur aus Mitleid oder anderen menschlichen Regungen gegeben, die mehr mit Ihm als Person, als aus echtem Interesse an seinem Oeuvre zu tun haben.
Die bisherigen wenigen Verkäufe sind aus seiner Perspektive eher Auszeichnungen für sein Aushalten einer umfassenden beruflichen Sinnlosigkeit, Auszeichnungen, die seine Person und seinen stoischen Charakter würdigen. Denn wer erträgt schon so viel Sinnlosigkeit, außer erfolglose Künstler?
Mit Recht werden Sie feststellen, dass das bis hier Geäußerte, sich in erster Linie mit Fragen der gesellschaftlichen Akzeptanz beschäftigte. Aber im Grunde geht es bei der Kunst ja auch um das, was sich sich unabhängig vom gesellschaftlichen Diskurs entbirgt. Dem, was der Kunst eine Daseinsberechtigung gibt, auch wenn niemand hinschaut.
Mit Verlaub, das halte ich für romantisches Schwafeln. Kunst die nicht wahr- und somit ernstgenommen wird, geht mit sehr großer Wahrscheinlichkeit unter, sie kann nicht be-stehen, wird nicht aufbewahrt, sie wird beschädigt und geht mit großer Wahrscheinlichkeit einfach unter. Sie kommt auf den gigantischen Müllhaufen dieser Kultur und ihre fragile Materialität läßt es nicht zu, dass sie irgendwann einmal von anderen Generationen ausgegraben werden kann.
Eine Leinwand ist kein Marmorblock und auch dieser kann am Ende zum Straßenbau geschreddert werden.
So wird es dann wohl auch mit meinen Werken nicht lange her sein. Erst verstauben sie in einem Lager, dann kann ich die Miete des Lagers nicht mehr bezahlen und wenn ich irgendwann verstorben sein werde, werden meine kunstdesinteressierten Erben nicht wissen, was sie mit dem ganzen Zeug anfangen sollen. So viel es es ja dann auch nicht, das passt alles locker in einen Container.
Aber kein Selbstmitleid, es gibt auch noch andere Lebensentwürfe, z.B. Ihren!
Und der muss nicht weniger fragil sein als meiner. Und er beinhaltet den Besuch dieser Ausstellung, insofern scheinen auch Sie Sinnlosigkeit als Bestandteil ihres Lebens zu kennen.
Wie schön für mich, denn am Ende bin ich doch nicht alleine mit meinen Bildern zum Thema "Love".

"Liebe" als Thema einer Ausstellung, scheint mir das Naheliegendste und Natürlichste überhaupt zu sein. Wenn es einen Themenkomplex gibt, der zu künstlerischen Ergüssen jeglicher Art führt und geführt hat, so ist es diese diffuse Empfindung, welche uns in unterschiedlicher Schwere befallen kann und uns wahrscheinlich unser ganzes Leben hindurch begleiten wird.
"Liebe" begegnet uns überall in unserem Leben, sei es nun, dass wir sie gefunden haben und behalten wollen, dass wir sie suchen, dass wir sie gerade verlieren oder gerade neu gewinnen. Und all die anderen, denen wir begegnen, habe die gleichen Begegnungen mit ihr, wie wir.
Alles ist voller Liebe, voller Glücklichsein durch sie, der Sehnsucht nach ihr, oder dem Ärger über sie oder ihrem unkontrollierbaren Ausgang.
Sie ist die Verheissung unseres Lebens und man sagt, ohne sie wäre auch ein König ein Bettler und mit ihr der Bettler ein König.
Wir suchen sie und finden sie nicht oder wir suchen sie nicht und finden sie doch - sie ist wie die Zeit, ein ständiger Begleiter unseres Lebensweges. Es gibt sie mütterlich, brüderlich, freundschaftlich, schwesterlich, christlich, heilig, erotisch, verzehrend, bedächtig, still und laut. Sie spiegelt all unsere zwischenmenschlichen Beziehungen wieder und spätestens nach der Geschlechtsreife suchen wir auch noch die Liebe unseres Lebens. Haben wir sie gefunden, müssen wir sie bewahren und dann kommt die Liebe zu den Kindern und all den anderen, die uns im Leben begegnen. Auch der Hass scheint eine Art Liebe zu sein, er ist so etwas wie ihre Umkehrung. Die Selbstliebe begleitet uns sowieso seit dem Beginn unserer Tage und manchmal verlieren wir auch diese und müssen sie mühselig wieder gewinnen. Die eine Liebe geht und eine neue kommt, man wird begehrt und kann es nicht erwidern und man begehrt und man wird abgewiesen. Sie kann kurzzeitig hell entflammen und verharrt dann bald Zeit verhalten schummrig. Sie kann auch langsam beginnen und sich dauerhaft und blühend entwickeln.

Sie ist immer anders und fordert uns durch ihre merkwürdige Unwägbarkeit.
Es ist schwer zu sagen, was sie uns bringt, ausser, dass sie uns das größte Glück und
die tiefste Traurigkeit in unserem doch leider recht überschaubaren Leben beschert.
Sie läßt uns spüren, dass wir da sind, sie kann das Gefühl erzeugen, welches uns am unmittelbarsten klar macht, dass wir hier und jetzt im Leben stehen und die Dinge klar und deutlich vor uns liegen.
Liebe macht Fühlen erlebbar. Manchmal in einem Ausmass, welches uns überfordert und wie kleine Staubkörner im Universum dastehen lässt (was wir zweifelsfrei sein müssen).
"Liebe ist ..." ist eine erfolgreiche Comic-Bilder Serie der 70er, in der zwei niedliche untersetzte Männchen, die eine kleine rundliche nackte Frau und einen kleinen rundlichen nackten Mann darstellen, Dinge tun, die symbolisch wie ein Aphorismus aufzeigen sollen, was man mit und für einander tut, wenn man diese erstaunliche Empfindung "Liebe" für einander verspürt.
Von wenigen Kommentar-Sätzen abgesehen, ist es eine überwiegend nonverbale Annäherung an das Thema. Ihr Erfolg liegt möglicherweise in der visuellen Deutungsoffenheit und dem Aussparen von wörtlichen Bezeichnungen, die dem Phänomen in keiner Sprache wirklich gerecht werden können.
"Liebe" ist in ihrer Beschreibung und Deutung DAS bildnerische Thema schlechthin.
Keine Bildthema lässt sich wahrscheinlich so leicht mit den Projektionen der Betrachter füllen. Die Museen der Welt sind voll von Bildmotiven, die komplexere Liebeshändel darstellen und sich doch auch immer auf die ganz persönliche, selbst gemachte Erfahrung mit ihr beziehen lassen.
Verpackt in die exemplarischen Geschehnisse göttlicher Allegorien, kann sich ein jeder vom Mittelalter über die Renaissance und das Barock, bis zur Moderne, einer Selbstprojektion in die Geschehnisse überlassen. Von der asketischen Minne eines Cranach des Älteren, über die Fleischmengerei eines Peter Paul Rubens, bis hin zu luftig-leichten Landpartien mit dezent geöffneten Dekolletés der Impressionisten. Wir können dabei sein und mittun, bei dem, was die anderen erleben. Das Selbst spiegelt sich im Anderen, die bildende Kunst als Vexierspiegel des Betrachters. Bei der Liebe einfach unersetzlich, auch wenn man sie gerade selbst in der Realität erlebt.
Und dann die Symbole. Wir kennen sie teilweise, aber wir können auch viele nicht mehr verstehen und zuordnen, die rote Rose, der weisse Hund, das Taschentuch, das offene Haar, der Blick ins Leere. Die Symbole verlieren ihre Bedeutung oder werden durch neue ersetzt.
Liebe füllt die Leere des Kosmos mit etwas, was wir nur schwer benennen können, aber sicher ist, dass wir uns dadurch weniger sinnlos und klein fühlen.

Hier schliesst sich der Kreis bis zu den Künstlern. Sie sind auf der Suche nach Liebe und Beachtung. Jeder, der behauptet, das ganze Kunstmetier habe damit nichts zu tun oder im besonderen ER habe damit keinerlei Anwandlungen, verschleiert die einzige Wahrheit des Berufsstandes. Künstler wollen geliebt werden und zwar nicht um ihrer selbst willen, sondern um ihrer Schaffenskraft und ihrer Genialität willen, die sich hoffentlich in jedem einzelnen ihrer Werke entbergen sollte, es aber nicht immer tut. Sie sind eine besondere Klasse von Menschen, die meint, sie müsse etwas produzieren, um dessen einzigartiger Beschaffenheit und Form man sie wirklich lieben und verehren müsse. Dies mag grundsätzlich ein Bedürfnis aller Menschen sein, bei den Künstlern ist es aber in nicht gekannter Weise stilisiert, exprimiert und kultiviert. 
Hagen Rehborn möchte Ihre Liebe, Ihre Liebe zu seinen Werken, er möchte, dass Sie seine Kunst so schätzen, wie sie kein anderes Ding auf dieser Welt je geschätzt haben.
Das ist, wie Sie jetzt sicherlich selber bemerken, einfach lächerlich.
Und "lächerlich" ist auch das Prädikat, welches die Sinnlosigkeit seiner Biografie und dieser Ausstellung und aller anderer von ihm jemals durchgeführten Ausstellungen am besten umschreibt. Die Sinnlosigkeit des gesamten Unterfangens ist lächerlich.

So viel Lächerlichkeit wagt nur ein Künstler oder ein Verrückter und wegen dieser Sinnlosigkeit klopft sich Hagen Rehborn nun selber auf die Schulter und freut sich, dass es zu so viel sinnloser Einzigartigkeit am Ende bei ihm immer reicht.


Mit freundlichen Grüssen, Hagen Rehborn