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minuten werden zu wochen
und sekunden zu tagen –
deine augen schauen mich an, wenn ich morgens erwache
und unschlüssig bin, ob es einen sinn zum aufstehen gibt
traurigkeit muss man erst zulassen und dann wird man sie
nicht mehr los, so wie diese augenringe, die seit deinem
verschwinden zu meinen stetigen begleitern geworden sind
ich bin nicht zeitlos auch wenn ich außer dem lichtwechsel
keine wirkliche vorstellung habe, warum weihnachten im
winter sein muss
tage werden zu sekunden
und wochen zu minuten –
wenn ich spüre, dass du bei mir bist und dein atem mein
gesicht berührt, so warm, dein geruch, deine festen hände
dein schlanker körper, die haare auf der brust und der
blonde flaum auf deinen armen, da möchte ich dich küssen
von kopf bis fuß, keine stelle auslassen und alles erkunden
dich drücken vor verlangen und vor sehnsucht nach noch
mehr, ein versprechen und ein nicken, der glaube an das
morgen nur mit dir
warten, ein geduldsspiel was die füße fesselt
und den geist beflügelt –
unsere gedanken segeln wie schwalben durch die
luft, sommermilde mit sturmböhen und windstille
gewitterdonner und auferstehung aus dem morgentau
als wollte aus der liebe eine pflanze sich zum zenith
erheben, hell umstrahlt das licht nur uns, denn jede
liebe existiert nur aus sich selbst und für den einen
den wir lieben
«löwenbändiger!»
© Hagen Rehborn 2015
all rights reserved
wie ein kleiner dummer singvogel fliegst
du mit voller wucht gegen die glasscheiben,
deren falkenförmige aufkleber du selbst
erst kurz zuvor mit dem hinweis auf ihre
schwarze hässlichkeit entfernt hattest
die wucht des aufpralls auf die scheibe war so
erheblich, dass ein überleben mit querschnittlähmung
undenkbar gewesen wäre, aber so liegst du
mit deinem schönen kleinen singvogelköpfchen
voller dunklem blut, welches zwischen deinen
kleinen, flauschigen federn hervorquillt, auf der
fensterbank aus italienischem marmor, den deine
mutter auf einer reise nach sizilien, die eigentlich nur
erfunden gewesen ist, so lieben gelernt hatte,
dass du dich genötigt sahst, das ganze haus
mit diesem schreiend bunten steinen zu verschandeln –
so, dass kein mensch das nun zur zwangsversteigerung
angebotene gebäude erwerben will: «mausoleum»
wären wir zusammen weitergeflogen, hoch
in der blauen luft, so sanft zu zweit, so leicht,
wenn du nicht gestorben wärst?
die weissen seelen der glücklichen, die nicht an
morgen denken, weil sie beginnen würden sich
aufzulösen, wenn man ihre erlösungsformel
gemurmel hätte: «mutabor»
© Hagen Rehborn 2015
all rights reserved
wenn du sagst du hasst, dann meinst du
das mag ich nicht, trinkst du ein bier,
dann willst du dich beim saufen entspannen,
danach auf die strasse gehen, die halbleere
flasche in den vollgepissten treppenabgang
der sbahn werfen, dort schläft seit dem winterbeginn
ein grauhaarige penner, der früher einmal künstler war
und eine fotomodell als freundin hatte
wenn du sagst ich vermisse dich,
holst du dir einen runter, dann fühlst du
wie alt du geworden bist, der sozialarbeiter
in deiner einrichtung hält ein paar canarienvögel
auf dem fensterbrett des speisesaals, dort isst du
dein halbes hänchen und beschwerst dich beim
koch über die halbrohen fritten, die das fett
auf deiner zunge erstarren lassen
wenn du sagst du bewunderst mich, dann meinst
du, ich bin besser als gar nichts, liesst du in der
illustrierten, betest du ein vater unser, dann denkst
du weiter an die quälenden demütigungen von früher
du schreist deinen mann an, ohrfeigst deine
tochter, damit die auch die möglichkeit haben
zu spüren, was es heisst, in einem ausweglosen
leben voller erinnerungen zu stecken
geliebt werden willst du von allen, bedingungslos,
wie ritter und heldinnen, tanzend und marschierend,
umringen sie dich und bilden einen festen kreis
deine visage, die sich im spiegelbild mit teurem make-up
verteidigen lässt, der totenschädel schimmert durch
die transparente hülle des lebens, lass die wanne voll laufen,
schalt den fön ein und versuch die verantwortung
zu übernehmen, die dich retten könnte
© Hagen Rehborn 2015
all rights reserved